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    Reykjavik: die nördlichste Hauptstadt der Welt

    Im Laufe der letzten Jahre hat sich die Anzahl Touristen in Island verfünffacht, von grade einmal 500.000 im Jahr 2010 auf 2,3 Millionen acht Jahre später. Die Insel aus Eis und Feuer ist bei Urlaubern so gefragt wie nie, sowohl aufgrund ihrer einzigartigen Natur als auch durch ihre sehenswerte Hauptstadt Reykjavik.

    Das älteste Parlament der Welt

    Laut einem alten isländischen Text aus dem 9. Jahrhundert soll Reykjavik vom Norweger Ingólfur Arnarson gegründet worden sein. Nachdem er seine Heimat aufgrund von Streitigkeiten um Land verließ, siedelten er und seine Mitreisenden sich auf einer Gezeiteninsel im Süden des heutigen Islands an. Nach ein paar Jahren verließe er die Gegend und suchte sich nach norwegischer Tradition eine neue Heimat, indem er Pfeiler seines alten Hauses ins Meer warf und das neue dort errichtete, wo sie angespült wurden. So landete er in einer Bucht im Südwesten des Landes, der er den Namen Reykjavik gab, was übersetzt so viel wie Rauchbucht bedeutet. Wie viel davon stimmt lässt sich heute nicht mehr sagen, doch archäologische Ausgraben zeigen, dass die ersten Norwegen bereits 200 Jahre zuvor nach Island gekommen waren. Sicher ist auch, dass um das Jahr 930 im heutigen Nationalpark Þingvellir nordöstlich von Reykjavik das Althing, das heute noch bestehende Parlament des Landes gegründet wurde. Damit ist es das älteste noch existierende Parlament eines unabhängigen Staates, befindet sich aber inzwischen im Alþingishúsið in Reykjavik. Lange Zeit bestand die Stadt nur aus Bauernhöfe und war weder für die Insel, noch für das darüber herrschende Dänemark von großer Bedeutung. Das änderte sich erst im 18. Jahrhundert durch Skúli Magnússon, dem Vater der Stadt, der durch die Ansiedlungen von Betrieben zur Verarbeitung von Fisch, Wolle und Fell für einen wirtschaftlichen Aufschwung sorgte. Im 19. Jahrhundert entwickelte Reykjavik sich zum kulturellen Zentrum des Landes, was eng mit dem Aufstieg Islands als eigene Nation zusammen hing. Obwohl das Parlament über die Gesetze entscheiden konnte und es im Land eine eigene Verfassung gab, stand Island immer noch unter Dänischer Herrschaft. Zur unabhängigen Nation wurde es erst am 17. Juni 1944, der heute als Nationalfeiertag begannen wird, als in Þingvellir die Republik ausgerufen und Reykjavik zur Hauptstadt erklärt wurde. 

    Der Entdecker Amerikas

    Das prägendste Gebäude in der Stadt ist die Hallgrímskirkja mit ihrem 74,5 Meter hohen Turm, in dem sich drei große Glocken befinden. Nach 16 Jahre der Planung wurde 1945, ein Jahr nachdem Island eigenständig wurde, mit dem Bau begonnen. Benannt wurde die Kirche nach Hallgrímur Pétursson, einem bekannten isländischen Dichter von Kirchenliedern der im 17. Jahrhundert lebte. 1992 zog die in Bonn gebaute Orgel, die mit 5275 Pfeifen die größte im Land ist in die Kirche ein und wird seitdem nicht nur für Gottesdienste sondern auch für Konzerte genutzt. Vor der Kirche steht eine Staue von Leif Eriksson, der um das Jahr 1000 auf einer Reise von Norwegen nach Grönland Amerika entdeckte. Sie ist ein Geschenk der Vereinigten Staaten an Island zur 1000-Jahr-Feier des Althing 1930, was auf dem Sockel der Staue in englischer Sprache noch einmal nachgelesen werden kann. 

    Die Hallgrímskirkja mit der Statue von Leif Eriksson davor

    Das neue Konzerthaus

    Eins der neueren Highlights in Reykjavik ist das 2011 eröffnete Harpa, ein Konzerthaus im Norden der Stadt direkt am Wasser. Besonders beeindruckend ist die gläserne Fassade, die je nach Blickwinkel und Wetter das Licht anders wiedergibt und dadurch jedes Mal die Farbe ändert. Auch von Innen hat das Gebäude einiges zu bieten, darunter einen großen Konzertsaal in dem 1.800 Leute Platz finden, drei kleinere Veranstaltungsräume und ein Konferenzzentrum mit Dolmetscherkabinen für neun verschiedene Sprachen. Auch wenn das Gebäude heute eins der Wahrzeichen der Stadt und ein Symbol für isländische Kunst ist, stand es lange in der Kritik. Die Investoren gingen im Zuge der Finanzkrise 2008, als sich das Harpa grade im Rohbau befand, pleite was dazu führte, dass alles in öffentlichen Besitzt überging. Bis zu seiner Fertigstellung kam das Gebäude umgerechnet 160 Millionen Euro, für die ein Kredit nötig war der erst nach 35 Jahren abbezahlt sein wird. Zudem versperrt es den Blick von der Innenstadt auf das Meer und die Berge um Reykjavik und nimmt den Bewohnern der Stadt Licht. Inzwischen ist es aber ein Symbol der Zukunft und Zeichen dafür, dass Island die Krise überstanden hat. Heute ist das Isländische Sinfonieorchester in dem Konzerthaus beheimatete und spielte zur Eröffnung am 4. Mai 2011 Beethovens 9. Symphonie, besser bekannt als Ode an die Freude. Seinen Namen erhielt das Gebäude 2009, nachdem über 4.000 Vorschläge aus der Bevölkerung eingefangen waren. Harpa ist zu einem ein isländischer Frauenname der übersetzte Harfe bedeutet, als auch der erste Sommermonat im altisländischen Kalender.

    Das Harpa Konzert – und Konferenzhaus

    Die Einzigartigkeit Islands

    Ein anderer architektonischer Hingucker in Reykjavik ist das Perlan, ein Warmwasserspeicher der aufgrund seiner Kuppel auf den ersten Blick etwas Ähnlichkeit mit dem Reichstagsgebäude in Berlin hat. Sie ist mit Lichtern und Spiegeln besetzt, die Nachts die Illusion eines Sternenhimmels erzeugen und gelegentlich die Polarlichter ins Innere des Gebäudes reflektieren. Unter der Kuppel befinden sich sechs Tank, von denen fünf die Stadt in den Wintermonaten mit Warmwasser versorgen und öffentliche Wege, wie Bürgersteige und Straßen, beheizen. Im Inneren des Gebäudes befindet sich das Museum der Naturwunder Islands, in dem Besucher einen künstlichen Gletscher, eine Eishöhle und einen nachgebauten Geysir, der regelmäßig ausbricht, bewundern können. Zudem beherbergt das Perlan, das übersetzt Perle bedeutet, ein Planetarium und oben in der Kuppel ein Restaurant, das sich langsam dreht und seinen Besuchern einen spektakulären 360 Grad Blick über Reykjavik bietet. Das Perlan steht auf dem Öskjuhlíð Hügel nah des Flughafens und wurde in seiner jetzigen Form 1991 eröffnet. Pläne für einen Wasserspeicher am aktuellen Standort gab es bereits 1930 und neun Jahre später dort sogar den ersten Warmwassertank. 

    Das Perlan auf dem Öskjuhlíð Hügel

    Spuren der Vergangenheit

    Island spielte während des Kaltes Kriegs eine wichtige Rolle, nicht nur weil die NATO Teile seines Territoriums für militärische Zwecke nutze. 1972 kam es in der Laugardalshöllin, wo seit 2015 der isländische Vorentscheid für den Eurovision Song Contest ausgetragen wird, zum Match des Jahrhunderts. Im Finale der Schachweltmeisterschaft trat der sowjetischen Titelverteidiger Boris Spasski gegen den US-Amerikaner Bobby Fischer an, was auch außerhalb der Schachwelt weltweit Aufsehen erregte. Vierzehn Jahre später fanden sich im Gasthaus Höfði im Norden von Reykjavik Ronald Reagan und Michail Gorbatschow mit ihren jeweiligen Außenministern zum Gipfeltreffen ein. Obwohl sich die beiden Parteien auf kein Abrüstungspaket einigen konnten und es nicht einmal eine Absichtserklärung gab, gilt das Treffen bis heute als Erfolg, da es den Grundstein für den 1987 unterzeichneten Vertrag zur Vernichtung von Flugkörpern mit mittlerer und kurzer Reichweite legte. Heute wird das Gebäude, von dem Besucher einen wunderbaren Blick auf der Meer haben, von der Stadt für offizielle Empfänge genutzt. Der Öffentlichkeit steht es nur sehr selten offen, was vermutlich auch besser ist, da es in dem Haus spuken soll. Gebaut wurde für den französischen Konsul Jean-Paul Brillouin 1909 und zählt damit zu den ältesten Gebäuden der Stadt. Er hielt es jedoch nicht lange in Island aus und verkaufte das Anwesen, so dass es immer wieder seinen Besitzer wechselte bis es 1938 zur britischen Botschaft wurde. Nach vierzehn Jahren verkauften die Briten das Haus an die Stadt, offiziell weil es in einem schlechten Zustand war. Inoffiziell könnte ein Brief des letzten dort tätigen Botschafters etwas damit zutun haben, der sich sicher war, in dem Haus treibe ein Geist sein Unwesen. Er nannte ihn Weiße Lady und riet in seinem Schreiben, bei dem es sich um die einzige diplomatische Mitteilung handelt in der es um einen Geist geht, das Anwesen zu verkaufen. Laut einer Legende steht das Haus nämlich auf einer alten Wikingergrabstätte, deren Geister nicht zur Ruhe kommen und sich regelmäßig am Getränkeschrank bedienen. Wem die bloßen Erzählungen über das Gasthaus nicht reichen, kann während der Sommermonate in Reykjavik auch am Hauntedt Ghost Walk teilnehmen. Bei einem abendlichen 90-minütigen Spaziergang durch die Stadt werden einem die grusligsten Orte gezeigt und urbane Legenden erzählt, die sogar den letzten Skeptiker an das Übernatürliche glauben lassen. 

    Zoo ohne Eisbären

    Nah der Laugardalshöllin befindet sich der örtliche Zoo in dem ungefähr 150 Tiere beheimatet sind. Die meisten von ihnen sind typische Haustiere wie Hunde, Katzen und Hasen oder in Island heimische Wildtiere wie Robben oder Füchse. 2010 versprach Jón Gnarr, falls er zum Bürgermeister der Stadt gewählt werden würde, dem Zoo einen Eisbären zu besorgen. Er versprach auch kostenlose Handtücher in Schwimmbädern, gratis Bustickets, bis 2020 ein drogenfreies Parlament und offene statt heimliche Korruption. Was erstmal ziemlich suspekt klingt war eigentlich auch nur als Scherz gemeint, schließlich ist Jón Gnarr hauptberuflich Komiker und Mitglied bei Besti folkkurinn (dt. die Beste Partei). Unter dem Motto „Wir können mehr versprechen als alle anderen Parteien, weil wir jedes Wahlversprechen brechen werden“ trat er zur Wahl an und gewann. Natürlich setzte er keinen der Punkte in seinem Programm um und schied nach vier Jahren aus dem Amt, ohne sich für eine Wiederwahl aufstellen zu lassen. 

    Robben sind in Island heimisch und leben daher auch im Zoo von Reykjavik

    Freizeitmöglichkeiten

    In Reykjavik sind eine Vielzahl an Museum, die sich nicht nur mit der Natur des Landes auseinander setzen, beheimatet. Neben verschiedenen Gallerien gibt es auch das Icelandic Punk Museum, die Freilichtausstellung Árbæjarsafn in der die Geschichte der Stadt nachempfunden werden kann und das Reykjavik Maritime Museum, das einen spannenden Blick auf die Entwicklung der Seefahrt bietet. Die wohl außergewöhnlichste Ausstellung findet sich im Isländischen Phallusmuseum, das seit seiner Eröffnung 1997 jedes Jahr über 10.000 Besucher anlockt. Wie der Name schon vermuten lässt befindet sich hier die weltweit größte Sammlung von Penissen und Penisteilen von 93 verschiedenen Tierarten. Das Museum liegt an der Laugavegur, der Haupteinkaufsstraße der Stadt, wo sich exklusive Geschäfte und Souvenirläden befinden. Das größte Einkaufszentren der Stadt, Kringlan, ist etwas außerhalb des Zentrums. 

    Wer die isländische Natur erleben will aber keine Lust hat Reykjavik zu verlassen, macht mit der Fähre einen Ausflug zur Insel Viðey. Sie befindet sich direkt vor der Stadt, ist unbewohnt und bietet ihren Besuchern spannende Sehenswürdigkeiten wie die zweitälteste Kirche des Landes und das 2007 von Yoko Ono, in Erinnerung an ihren 1980 verstorbenen Mann John Lennon, errichtete Lichtkunstwerk Imagine Peace Tower. Dieser leuchtet jedes Jahr vom 9. Oktober, Lennon’s Geburtstag, bis zum 8. Dezember, seinem Sterbetag. Ein Stück Natur findet sich auch in Reykjaviks Innenstadt am Tjörnin, einem flachen See an dem viele Vögel wie Gänse, Enten und Schwäne anzutreffen sind. 

    Der Imagine Peace Tower auf der Insel Viðey

    Obwohl Reykjavik vom europäischen Festland weit entfernt liegt, ist eine Reise dahin den Weg auf jeden Fall wert. Hier gibt es nicht nur spannende Sehenswürdigkeiten sondern auch eine wunderschöne Natur die es zu entdecken gilt. 

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