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    Stockholm: das Venedig des Nordens

    Schweden gilt weltweit als offenes und liberales Land, was vor allem seine Hauptstadt Stockholm zeigt. An vielen Gebäuden wehen Flaggen, aber nicht etwa die des Königreichs sondern die Regenbogenflagge der LGBTQ+ Community. Dadurch leuchten die Straßen der Stadt, die in ihrer Geschichte immer wieder Schauplatz von Tragödien war, in bunten Farben und vermittelt jedem das Gefühl, willkommen zu sein.

    Eine spannende Vergangenheit

    Ursprünglich begrenzte sich das Gebiet von Stockholm auf die Insel Stadsholmen, auf der sich heute die Altstadt Gamla stan befindet. Gegründet wurde die Stadt vermutlich um 1252 durch den Staatsmann Birger Jarl, obwohl sich erste Aufzeichnungen über Stockholm schon in der 1230 vom isländischen Dichter Snorri Sturluson veröffentlichen Heimskringla, einem Werk über die Geschichte der Könige Norwegens, finden lassen. Durch Verträge mit Lübeck wuchs Stockholm, das damals überwiegend von Deutschen bewohnt wurde und entwickelte sich zur größten Stadt Schwedens. 1520 fiel das Land unter dänische Herrschaft, was im November das Stockholmer Blutbad mit sich brachte. Christian II. der zu diesem Zeitpunkt bereits Herrscher über Dänemark und Norwegen war, ließ sich in Stockholm auch zum König von Schweden krönen und befahl die Hinrichtung von mehr als 80 oppositionellen Adligen. Einem von ihm, Gustav Eriksson, gelang die Flucht was schwerwiegende Folgen für den dänischen König hatte. Eriksson stellte eine Armee zusammen, vertrieb Christian II. aus Stockholm und wurde am 6. Juni 1523, dem heutigen Nationalfeiertag, zum König von Schweden gewählt. Das von ihm gegründete Haus Wasa stellte sechs Herrscher, von denen einer auf tragische Weise für die Entstehung des Vasa-Museums verantwortlich ist. Trotz Stockholms Status als wirtschaftliches und kulturelles Zentrum des Landes wurde die Stadt erst 1634 zur Hauptstadt; davor gab es keinen festen Sitz der Regierung. Im Laufe der Jahrhunderte wuchs Stockholm, bekam 1877 seine eigene Straßenbahn, wurde während des Zweiten Weltkriegs versehentlich von Sowjets bombardiert (es wird vermutet, dass die finnische Stadt Turku das eigentliche Ziel war) und erhielt 1998 den Titel Kulturhauptstadt Europas

    Straße in der Altstadt „Gamla stan“

    Die Altstadt

    Die Gamla Stan, also das anfängliche Stockholm, liegt auch heute noch auf einer Insel, die durch Brücken im Norden und im Süden mit dem Rest der Stadt verbunden ist. Geprägt wird dieser Teil der Stadt durch enge Gassen, Kopfsteinpflaster und viele kleine Läden. Eine der die Altstadt prägenden Kirchen ist die Sank Nikolai Kyrka. Sie wurde vermutlich Mitte des 13. Jahrhundert von Birger Jarl, dem Stadtgründer, gebaut und war bis 1873 Krönungsort der Könige. Der gegenwärtige Monarch, Carl XVI. Gustaf heiratete in der Kirche die Deutsche Silvia Sommerlath, die er 1972 bei den Olympischen Spielen in München kennengelernt hatte. Die gemeinsame Tochter, Kronprinzessin Victoria, tat es ihren Eltern gleich und ließ sich auf den Tag genau 34 Jahre nach ihnen mit dem bürgerlichen Daniel Westling trauen. Die andere Kirche in der Gamla stan ist die Tyska Kyrka, die Deutsche Kirche, in der bis heute Gottesdienste nach schwedischer Ordnung in deutscher Sprache abgehalten werden. Am nördlichen Ufer der Altstadt befindet sich das Stockholmer Schloss, in dem Mitglieder der königlichen Familie ihre Büros haben und das von Carl XVI. Gustaf für repräsentative Zwecke genutzt wird. Bewohnt wird es seit 1982 nicht mehr, da inzwischen Schloss Drottningholm westlich der Stadt, Hauptwohnsitz der Familie Bernadotte ist. Sie ist die am längst regierende Dynastie Europas und wurde 1818 vom Franzosen Jean Baptiste Bernadotte, besser bekannt als Karl XIV. Johann, gegründet. Direkt vor dem Schloss befindet sich der Reichstag und steht, genau wie das Schloss, Besuchern offen. 

    Die Altstadtinsel aus der Luft

    Die Spuren von Nobel

    Zentrum der Altstadt ist der Stortorget, ein großer Platz mit bunten Häusern vor dem Nobel Museum. In dem beeindruckenden Gebäude, in dem sich früher die Börse befand, sind zudem die Schwedische Akademie und die Nobelbibliothek untergebracht. Da sich das Museum mit der Auszeichnung allgemein, ihrem Stifter Alfred Nobel und allen Preisträgern beschäftigt, wächst es jedes Jahr und wird inzwischen als zu klein angesehen. Aus diesem Grund soll in Stockholm das Nobel-Center entstehen, das sich seit 2011 jedoch noch in der Planung befindet.

    Der Stortorget im Zentrum der Altstadt

    An jedem 10. Dezember sind die Augen der Welt auf Stockholm gerichtet, wenn diejenigen, die in dem vergangenen Jahr in den Bereichen Physik, Chemie, Literatur, Physiologie/Medizin und Literatur der Menschheit von Nutzen waren. Dieser Tag ist in Schweden als Nobeltag bekannt und einer der wenigen an dem die Nationalflagge gehisst wird. Er ist das Highlight einer ganzen Woche, in der die Preisträger in der Stadt Vorlesungen halten und im Grand Hôtel Stockholm wohnen, wo bis 1925 auch die Verleihung stattfand. Als das Hotel zu klein wurde, verlegte man alles in das Konserthuset und das anschließende Bankett ins Rathaus. Alfred Nobel, der Stifter des Preises und Erfinder des Nitroglycerins legte in seinem Testament genau fest, nach welchen Kriterien die Preise vergeben werden, wer darüber entscheidet und dass ein Preis nicht in Stockholm verliehen wird. Die Verleihung des Friedensnobelpreises findet nämlich jedes Jahr in der norwegischen Hauptstadt Oslo statt.  

    Der Hafen

    Ein echter Blickfang im Hafen von Stockholm ist das Vasa-Museum auf der Insel Djurgården. Das verschachtelte Gebäude sticht durch drei herausragende Schiffsmasten hervor und beherbergt das auf fragwürdige Weise berühmt gewordene Schiff Vasa. König Gustav II. Adolf wollte 1625 seine Stärke gegenüber Dänemark und Polen demonstrieren und gab das Schiff in Auftrag um Schweden als Seegroßmacht zu etablieren. Am 10.  August 1628 brach das Schiff in Stockholm zu seiner Jungfernfahrt auf, die etwa zwanzig Minuten dauerte. Nach nicht einmal zwei Kilometern kenterte das Schiff und riss 30 bis 50 Menschen mit sich. Über 300 Jahre nach seinem Untergang gelang es die Vasa im guterhaltenen Zustand zu bergen und in eine Werft zu bringen. 1988 kam das Schiff an ihren heuten Standort im Museum, als sich dieses noch im Bau befand. Für König Gustav II. Adolf hatte das Schicksal ein ähnlich tragisches Ende vorgesehen wie für die Vasa. Während einer Schlacht in Sachsen starb er im Alter von 37 Jahren an den Folgen seiner Eitelkeit, da er sich weigerte seine Brille zu tragen und von einer Kugel getroffen wurde.

    Die Vasa im Museum

    Ein Stück weiter südlich befindet sich das ABBA-Museum, in dem sich alles um das Leben von Agnetha, Björn, Benny und Anni-Frid dreht. Hier werden ihre Lebensgeschichten, der gemeinsame Aufstieg und alles, was die Gruppe so besonders macht, gezeigt. Ein besonderes Highlight ist das rote Telefon, von denen nur die vier die Nummer haben und jeder Zeit anrufen könnten. Auch wer mit ABBA nicht viel anfangen kann, sollte das Museum trotzdem besuchen, da es neben der Ausstellung auch tolle interaktive Möglichkeiten bietet.

    Figuren im ABBA-Museum

    Direkt neben dem Museum liegt Gröna Lund, ein 1883 eröffneter Freizeitpark in dem es nicht nur Achterbahnen und Karussells gibt sondern auch Theateraufführungen und Auftritte von bekannten Musikern. Ebenfalls auf Djurgården befinden sich der städtische Zoo, das Aquarium Skansenakvariet und verschiedene Restaurants. 

    Tragische Geschichte

    Was in den USA die Elm Street in Dallas ist, wo 1963 Präsident Kennedy ermordet wurde, ist für Schweden die südliche Ecke des Thulehuset, ein Bürogebäude inmitten der Innenstadt. Am Abend des 28. Februar 1986 sahen der amtierende Ministerpräsident Olof Palme und seine Frau sich im nahgelegenen Kino Grand eine Komödie an und traten ohne Polizeischutz den Heimweg an. Sie waren grade an der Ecke Sveavägen und Tunnelgatan als aus nächster nähe auf die geschossen wurde. Der damals 59-jährige Palme starb binnen von wenigen Sekunden während seine Frau mit leichten Verletzungen davon kam. Ein Täter wurde lange Zeit nicht gefunden, der Mord blieb lange Zeit unaufgeklärt bis zum Sommer 2020. Inzwischen sind die Ermittler sich sicher, dass Stig Engström, ein politisch rechts stehender Grafikdesigner der sich als Zeuge ausgab, den Mord begannen hat. Ein Geständnis wird es nie geben, da Engström 2000 tot in seinem Haus aufgefunden wurde; vermutlich hatte er Suizid begannen. An den Mord erinnert heute eine Tafel und die Tunnelgatan, die inzwischen offiziell Olof Palmes Gata heißt. 17 Jahre nach dem Attentat auf Palme ereignete sich in Stockholm ein weiterer Mord an einem hochrangigen Regierungsmitglied. Die amtierende Außenministerin Anna Lindh wurde am 10. September 2003 im Kaufhaus NK in der Stockholmer Innenstadt Opfer eines Messerangriffs an dessen Folgen sie am nächsten Tag starb. Sie hatte sich vor allem für die Einführung des Euros als schwedische Währung eingesetzt, was das Volk drei Tage nach ihrem Tod in einem Referendum ablehnte. Somit ist die Krone bis heute Nationalwährung, auch wenn Scheine und Münzen immer mehr aus dem Alltag verschwinden. Kartenzahlung ist in Schweden so selbstverständlich wie in kaum einem anderen Land und vielerorts sogar der einzige Zahlungsweg. Aufsehen erregte Stockholm auch im Sommer 1973, als eine Geiselnahme in einer Bank das Phänomen des Stockholm-Syndroms aufzeigte. Fachlich ist der Begriff zwar nicht anerkannt, beschreibt aber im Volksmund die Entstehung von Gefühlen zwischen einer Geisel und dem Geiselnehmer.

    Die Scheren

    Stockholm wird auch als Venedig des Nordens bezeichnet, da das Stadtbild durch viele Wasserstraßen geprägt ist. Das zeigt sich auch an den Fahrkarten für die örtliche U-Bahn, die nicht nur für die Züge unterhalb der Erde gültig sind sondern auch für Wassertaxen die durch die Stadt fahren. Grade am Harfen sind sie eine willkommene Alternative zum sonst langen Weg zwischen in Inseln. Besonders bei Touristen beliebt ist die Scherentour, die am Hafen extra gebucht werden kann. In Booten werden die unzähligen Inseln vor Stockholm erkundet und zeigen genau das Bild, das viele von der schwedischen Landschaft haben. Wem so viele Inseln auf einmal zu viel sind, der fährt nach Fjäderholmarna, einer kleinen Insel östlich des Stadtzentrums. Auf dem idyllischen Eiland gibt es ein Restaurant, ein Café sowie ein kleines Geschäft mit Kunstgegenständen. Bei Touristen ist sie besonders beliebt da sie neben einer wunderschönen Natur auch die Möglichkeit zum Baden in der Ostsee bietet. Auf dem Weg zur Insel bekommen Besucher zudem einen spektakulären Blick auf die Skulptur Gud Fader på himmelsbågen (dt. Gott der Vater auf dem Himmelsbogen) die vor der Stadt Nacke, die im Süden an Stockholm grenzt, liegt. Sie wurde 1995 geschaffen und zeigt Gott in der Mitte eines Bogens, der bei der Hälfte mit Wasser fortgesetzt wird das in die Ostsee fällt.

    Bademöglichkeit auf Fjäderholmarna

    Schwedens Hauptstadt zählt zu recht zu den beliebtesten Reisezielen innerhalb Europas. Die Stadt verbindet ihre aufsehenerregende Vergangenheit mit der Moderne und bietet für jeden Besucher ein einzigartiges Erlebnis. 

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